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Martin Nill - Auf der Turnmatte

Vom 06. bis zum 27. Juni 2009 zeigt der Hamburger Künstler Martin Nill
die über den Zeitraum von einem Jahr entstandene Skulpturenserie „Auf der Turnmatte“.

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Nill präsentiert eine Serie von Kleinskulpturen, die aus einer Idee für das Internet und zur Selbstdisziplinierung hervorgegangen sind. „One sculpture a day“ (von Montag bis Freitag) war die Vorgabe und ein Jahr lang hat er es ausgehalten. Eine weitere vom Künstler selbst auferlegte Regel war: keine Selbstzensur. Dieses nicht (nur) im sexuellen Sinne, sondern vor allem: keine Angst vor schlechtem Geschmack, Banalitäten oder Kitsch. Alles muss raus.
Entstanden sind so an die zweihundert kleine mehr oder weniger Perversitäten. Spielzeug goes Splattermovie, jeder macht etwas vor auf der Turnmatte, es riecht etwas streng und alle schämen sich ein bißchen. Ein Kerl, der sich Bigfoot nennt in einer großen grünen Windel, mit zu kurzen Armen und einer modischen Frisur (Pony), reißt sich die Bauchdecke auf, um uns sein Innerstes zu offenbaren. Herrenlose Hunde treiben tabulose Spiele unter dem Deckmantel der Theatergruppe eines Tierheims, eine Wurst in einem Benetton- Pullover träumt, sie sei ein Nashorn, der Briefkasten hat eine geschwollene Zunge und muss heute nicht zur Arbeit.
Dazwischen melancholische Architekturmodelle, Ersatzteile aus dem Reagenzglas und Relikte imaginärer amerikanischer Expressionisten. Nill guckt viel fern und hat seine Lieblingsschauspieler porträtiert (Ingrid Bergman und Rocky). Schlimme Verbrechen, die wirklich stattgefunden haben sollen und deren Details wir hier nicht beschreiben, werden illustriert. Der Tod hat eine bunte Badehose an und treibt auf einer Luftmatratze im Meer. Es nimmt kein Ende.

Und damit es doch ein Ende nimmt, ist alles jetzt in dieser Ausstellung zu sehen.
Dabei ist die Sammlung Teil des Nillmuseums, das bisher mehr durch seine Dioramen und verbrannten Landschaften aufgefallen ist. Ausgehend von dem Gedanken des individuellen Museums, wirft es einen eigenwilligen Blick auf die menschliche Kulturgeschichte. Die Kleinskulpturen „Auf der Turnmatte“ sind in diesem Zusammenhang nicht nur Zeugnis der nicht therapierbaren armen Sau „Künstler“, sondern, im Sinne des Jean Paul`schen Schulmeisterlein Maria Wutz- der sich seine eigene Bibliothek nach den Buchtiteln aus dem Katalog zusammenschrieb, bis er seine Nachahmungen für das Original hielt- eine Aneignung von Kulturgut, insbesondere von Kunstwerken, eine Appropriation durch Imitation oder Parodie, ohne das Original zu genau betrachten zu müssen. So entsteht ein Museum an der Schnittstelle zwischen „authentischem“ Empfinden und seinem hilflosen Ausdruckswillen einerseits, und der Suche nach  allgemeingültigen, verständlichen Zeichen aus dem Kulturdschungel da draußen, andererseits.